Erinnerst Du Dich an Deine letzte Tanzvorstellung? Was hast Du auf der Bühne gesehen? War das eher Kunst oder eher Sport? Standen für Dich die Technik und die Ausführung im Vordergrund oder der Ausdruck, das künstlerische Konzept und die Emotion?
Als wir uns als Team von GRIT auf die Mission begaben, eine Stückentwicklung im Fitness-Studio zu starten, sind wir immer wieder auf diese Frage gestoßen – und die Antwort darauf, ist gar nicht so einfach, wie es erst einmal scheint. Schon die Ausbildungswege von Bühnen-Tänzer*innen sind sehr unterschiedlich. In der international vernetzten Tanzwelt gibt es mannigfaltige Arten von Schulen, Abschlüssen oder Ausbildungen und gerade die Institutionen gestalten mit ihrem Lehrplan ihr eigenes Profil.
Viele Tänzer*innen erzählen, dass sie sich früh als Künstler*innen identifizierten und dass auch ihre Lehrer*innen dieses Selbstbild verstärkten. Es ging um Ausdruck und die Ausführung von Bewegungen, aber immer im Sinne der darstellenden Kunst. Obwohl sich eine tanzende Person also den ganzen Tag bewegt und mit dem Körper arbeitet, obwohl der Tag schon während der Ausbildung meistens mit einem Warm-up beginnt, ist die Bewegung nur Mittel zum Zweck.
In einem Gespräch mit der Sportwissenschaftlerin Stephanie Lichtenthaler während der Entstehung von GRIT konnten wir die Unterschiede und Parallelen von sportlicher und tänzerischer Ausbildung vergleichen – mit dem größten Unterschied, dass bei tänzerischen Produktionen in der Regel der künstlerische Ausdruck und nicht der Wettkampf oder Leistungsgedanke im Vordergrund steht. Tänzer*innen und Sportler*innen bewegen sich schlicht aus einem anderen Grund.
Doch geht es auf der Bühne überhaupt nicht im Leistung? Denn um ein künstlerisches Konzept, eine Erfahrung oder eine Gefühlswelt zu erreichen, müssen Tänzer*innen immer wieder an körperliche Grenzen gehen. Nehmen wir beispielsweise GRIT: Die Step Aerobic Schritte müssen sitzen und die Ausdauer muss gegeben sein, um sich überhaupt mit der Fitness-Welt auseinander zu setzen.
In diesem Hinblick sind Tänzer*innen auch Athlet*innen, also Menschen, die regelmäßig und intensiv in Bewegung sind. Von dieser Perspektive hat uns schließlich ein Gespräch mit den Physiotherapeutinnen der Praxis Uhrig überzeugt. Auch in einer Instagram-Umfrage, die wir zu dem Thema gestartet haben, waren die Stimmen relativ klar. 89% der Teilnehmenden fanden: Tänzer*innen sind Athlet*innen. Doch professionelle Athlet*innen folgen in der Regel festen Trainings- und Physioplänen – dazu zählen auch Pausen und Ruhezeiten. Profisportler*innen trainieren nicht direkt nach dem Wettkampf, während Tänzer*innen bis zu acht Stunden an Choreografien arbeiten und oft am Tag nach der Vorstellung für die nächsten Probe im Studio stehen.
Doch langsam kommt Bewegung in diese Strukturen: Mit Initiativen wie Ta-Med, der europäischen Vereinigung von Tanzmediziner*innen und Therapeut*innen sowie der immer stärkeren Interessenvertretung von Tänzer*innen durch Gruppen wie dancers connect, sind Themen wie Gesundheit und Vorsorge von Bühnentänzer*innen mehr und mehr in den Fokus gerückt. Auch wir haben uns als Team von GRIT bei der Entwicklung des Stücks Gedanken über unserer eigenes Selbstverständnis gemacht und uns gefragt, welche Ideen und Selbstbilder wir auf der Bühne weiter transportieren. Als Künstler*innen wir sind Teil einer leistungsorientieren Gesellschaft und bewegen uns nicht außerhalb von ihr. Doch wie weit können und wollen wir darin gehen?
von Eva-Maria Steinel